Vertrittst du die Ansicht, dass man fürs Laufen ja nicht zwingend beweglich sein muss? Du führst ja immer dieselbe Laufbewegung aus und das kriegst du noch locker hin? Was aber, wenn ich sage, jeder könnte ein bisschen mehr Mobility und Körperwahrnehmung gebrauchen? Einfach um sich beim Laufen wohl zu fühlen und die Gelenke so wenig wie möglich damit zu belasten.
Ich möchte dir in diesem Blogbeitrag mögliche Fehlerquellen und Zusammenhänge aufzeigen, damit du besser eruieren kannst, woran es liegt, dass du beim Laufen Schmerzen hast. Der jeweilige Quick-Tipp kann eine mögliche Lösung für dein Problem sein.
Das Becken
Das Becken verbindet den Oberkörper mit den Beinen, genauer gesagt die Wirbelsäule mit den Hüftgelenken. Es sollte frei beweglich sein, damit es beim Gehen mitschwingen kann.
In der Leichtathletik war aufrechtes sprinten wichtig. Die Beine arbeiten, der Rest ist stabil. Ich glaube, darum haben die Leichtathleten auch einen speziellen Gang entwickelt. Wenn sie gehen, dreht der Fuss bei jedem Abstossen nach aussen ab. Es schaut dann enorm wichtig aber auch steif aus! Ist dir das schon mal aufgefallen?
Das sind die Auswirkungen, wenn das Becken NICHT frei mitschwingen und sich nicht in allen nötigen Ebenen bewegen kann. Wäre es nämlich frei beweglich, könnte ich (und alle anderen gut trainierten Athleten) den Fuss normal nach vorne abrollen, ohne Ausweichbewegung zur Seite und die Hüfte könnte ganz in ihre Streckung kommen.
Was passiert beim Laufen?
Der Fuss wird falsch aufgesetzt und das Fussgelenk ungünstig belastet. Je nach Stabilität des Fussgelenkes kann man so eher abknicken. Falls ein Hohlkreuz besteht (siehe auch Hüftgelenk), kann der Schmerz im unteren Rücken verstärkt werden, da die Lendenwirbelsäule durch das steife Becken zu wenig bewegt und entlastet wird. Weiter kann der Beckenboden in einem Hohlkreuz nicht wie gewünscht arbeiten.
>> QUICK-TIPP <<
Werde dir bewusst, was für ein Gang-Muster du hast. Beobachte dich im Alltag beim Gehen oder lass ein Video von dir machen.
Das Hüftgelenk
Das Hüftgelenk verbindet das Becken mit dem Oberschenkel und ist ein Kugelgelenk. Dieses Gelenk ermöglicht es, dem Bein sich in alle Richtungen zu drehen und zu bewegen – rein theoretisch.
Durch häufiges Sitzen und einseitiges Training hat das Hüftgelenk seine Fähigkeit zu rotieren verloren. Die Hüftbeugemuskulatur ist verkürzt und zieht das Becken in eine schiefe Lage (Hohlkreuz), was wiederum dessen Funktionalität einschränkt. Natürlich haben hier auch andere Muskeln einen Einfluss auf die Funktion des Hüftgelenks, die Hüftbeuger aber haben den Einschneidensten.
Was passiert beim Laufen?
Ein Laufen mit verkürzten Hüftbeugern (und Hohlkreuz) kann Schmerzen im unteren Rücken verursachen. Kennst du diese Leute, die «sitzend» laufen? Bei diesen fehlt die Hüftstreckung in der Abstossphase. Der Hüftknick bleibt bestehen und verhindert so eine gute Laufdynamik.
>> QUICK-TIPP <<
Mobility-Übungen für die interne und externe Rotation der Hüfte können hier Wunder wirken.
Das Knie
Das Knie steht zwischen Hüfte und Fussgelenk und ist für die Stabilisation der Beinachse zuständig. Es ist aber auch den Fehlhaltungen von Hüfte oder Füssen gnadenlos ausgeliefert. Ist die Beinachse nicht gut ausgerichtet kann das schmerzende Folgen für das Kniegelenk haben. Ausserdem können verspannte Muskeln am Kniegelenk ziehen (wo die Ansätze anlegen), was ebenfalls zu Knieschmerzen führen kann.
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass eine ungenügend starke Oberschenkelmuskulatur auch Knieschmerzen (z.B. beim Bergab-Gehen) verursachen kann.
Obwohl das Kniegelenk eine stabilisierende Aufgabe hat, soll es doch noch genug beweglich sein, um mögliche Misstritte auffangen zu können.
Was passiert beim Laufen?
Joggen belastet die Knochen mit dem 3- bis 4-fachen des Körpergewichts. Stelle dir mal die Belastung auf das Kniegelenk vor, wenn deine Beinachse nicht korrekt ausgerichtet ist und das Gelenk z.B. bei X-Beinen v.a. auf der Aussenseite abgenutzt wird.
>> QUICK-TIPP <<
Die Ausrichtung der Beinachse ist das A und O für gesunde Knie. Lese hier meinen Blog-Artikel dazu: Die Beinachse: eine Anleitung zur korrekten Ausrichtung.
Das Fussgelenk
Das Fussgelenk verbindet das Waden- und Schienbein mit den Fussknochen. Es setzt sich aus dem oberen und unteren Sprunggelenk zusammen. Das Sprungelenk (aka Fussgelenk) ist das am stärksten belastete Gelenk des Körpers, da es im aufrechten Stand das ganze Körpergewicht tragen muss.
Unser Fussgelenk wie auch unsere Füsse werden in der heutigen Zeit eher weniger gefordert. Wir gehen meist auf flachem, harten Untergrund und tragen feste Schuhe. Die Möglichkeiten die Muskulatur an und um die Füsse zu trainieren sind gering.
Was passiert beim Laufen?
Bei Laufen wirken unheimliche Kräfte auf die Fussgelenke ein. Ein unachtsamer Tritt auf (ungewohntem) unebenem Terrain ist verheerend für die Fussgelenke und die Läufer-Karriere. Ungewohnte Belastungen können Schmerzen in der Achillesehne hervorrufen.
>> QUICK-TIPP <<
Sei öfters barfuss, auch wenn es nur zu Hause ist. Oder mache mal ein lockeres Auslaufen barfuss auf dem Rasen.
Der grosse Zeh
Der grosse Zeh hilft uns das Gleichgewicht zu halten und spielt eine wichtige Rolle in der Abrollbewegung des Fusses. Ein Drittel der Abrollbelastung wird vom Grosszehengrundgelenk getragen! Demzufolge ist die freie Beweglichkeit des grossen Zehs (wie auch des ganzen Vorfusses) entscheidend für eine gute Laufbewegung.
Durch ständiges Tragen von Schuhen wird unseren Füssen viel Beweglichkeit genommen. Unbewegliche Füsse und eine falsch ausgerichtete Beinachse können die Füsse ebenfalls in eine Fehlstellung drängen.
Was passiert beim Laufen?
Ein unbeweglicher grosser Zeh verhindert das gerade Abrollen des Fusses und zwingt den Läufer/die Läuferin in eine Ausweichbewegung (Fuss rotiert nach aussen). Dies wiederum kann weitere Fehlhaltungen und Abnützungserscheinungen in Füssen, Knie und Hüfte zur Folge haben.
>> QUICK-TIPP <<
Massiere und mobilisiere deine Füsse öfters. Wenn du öfters barfuss gehst, versuche dabei auch Objekte vom Boden aufzuheben, das hält den Vorfuss aktiv und beweglich.
Die Brustwirbelsäule (BWS) & der Brustkorb
Die 12 Brustwirbel sind gemacht für Rotation. An ihnen befestigt sind die Rippen, die die Organe schützen. Zwischen den Rippen sitzt die Zwischenrippenmuskulatur, die den Rumpf bei der Drehung unterstützen und die Rippen beim Atmen öffnen und schliessen.
In der heutigen Zeit ist die Beweglichkeit der BWS und des Brustkorbes sehr reduziert vorhanden. Es wird viel mit der Hals- oder der Lendenwirbelsäule kompensiert. Ein Rundrücken ist oft gesehen, was ebenfalls auf häufiges Sitzen zurück zu führen ist. Die zusammengekauerte Haltung schränkt den Brustkorb enorm ein. Die Lungenflügel haben weniger Platz sich bei der Atmung zu entfalten. Eine flache Atmung ist unvermeidlich.
Was passiert beim Laufen?
Die Atmung ist enorm eingeschränkt und oberflächlich. Oft wird mit steifem Oberkörper gelaufen (nur die Arme schwingen), da man ja stabil beim Laufen bleiben muss. Die uns angeborene Laufdynamik geht so komplett verloren.
>> QUICK-TIPP <<
Hole dich im Alltag öfters aus der Sitzhaltung heraus und biege und strecke die Wirbelsäule in alle Richtungen. Platziere z.B. die WC-Rolle hinter dir auf dem Spülkasten. Somit kannst du die Rotation in der Brustwirbelsäule öfters nutzen. 🙂
Die Lendenwirbelsäule (LWS)
Die Lendenwirbelsäule besteht aus fünf grossen Wirbeln, die den Rumpf stützen sollen. Sie sind gemacht für Beuge- und Streckbewegungen, nicht gedacht für Drehungen. Oft muss die LWS das kompensieren, was die BWS nicht mehr kann. Z.B. wird die Kobra meist mit einer extremen Beugung in der LWS gemacht, anstatt die BWS dafür zu nutzen.
Durch die Verkürzung der Hüftbeuger (wegen dem vielen Sitzen) ziehen diese das Becken nach vorne in ein Hohlkreuz. Was im Alltag keine Schmerzen verursachen muss, kann unter Belastung oder langen monotonen Bewegungen schmerzhaft werden. Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass vermeintlich entspannende Yoga-Übungen zu viel Druck auf die LWS geben können und man dadurch Schmerzen hat.
Was passiert beim Laufen?
Ein vorhandenes Hohlkreuz kann durch lange Läufe Rückenschmerzen geben. Da die Wirbelsäule aus dem Lot geraten ist, kann sie Schläge nicht mehr wie gewünscht abfangen und verhindert auch die volle Hüftstreckung beim Abstossen.
>> QUICK-TIPP <<
Was hier hilft ist die bewusste Aufrichtung der Wirbelsäule und das achtsame Bewegen. Immer wenn du spürst, dass du im Hohlkreuz bist, hole dich da bewusst wieder raus.
Das Schultergelenk
Die Schulter verbindet die Arme mit dem Rumpf. Auch das Schultergelenk ist ein Kugelgelenk, das aber weit komplizierter ist als z.B. das Hüftgelenk. Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk unseres Körpers.
Fürs Laufen braucht man doch keine Arme würde man meinen. Du lachst jetzt, aber ich bemerke tatsächlich auch beim Laufen, dass meine Schultern unbeweglich sind und ich beim Schwingen meiner Arme an eine Grenze der Beweglichkeit stosse.
Was passiert beim Laufen?
Ist die Beweglichkeit der Schultern enorm eingeschränkt leidet die Laufdynamik. Oft spielt hier auch die Steifheit des Brustkorbes mit rein, was das Schwingen der Arme zusätzlich erschwert.
>> QUICK-TIPP <<
Konzentriere dich zuerst auf die Beweglichkeit des Brustkorbes. Bleibe aber immer achtsam während des Laufens und beobachte dich.
Fazit: Mobility bringt den Körper ins Lot
Viele Schmerzen und Abnützungserscheinungen müssen nicht sein! Mit einem guten Mobility-Training kannst du deine Schmerzen verringern und Verletzungen vermeiden. Mehr Beweglichkeit erlaubt einen grösseren Bewegungsumfang, was wiederum dem Körper die Möglichkeit gibt seine Dynamik und Effizienz auszuschöpfen.
Wie du gesehen hast, kann theoretisch jeder irgendwo mehr Mobility gebrauchen. 🙂 Kannst du aber schmerzfrei laufen, ist es nicht zwingend nötig, an diesen Stellschrauben zu drehen. Man soll ja einen funktionierenden Ablauf nicht stören. Hast du aber das Gefühl, dass irgendetwas nicht so rund läuft, es irgendwie klemmt oder du einfach an dir arbeiten willst, dann nimm dich diesem Thema an.
Wenn du bereits jetzt schmerzfrei laufen kannst, schadet es nicht, sich diese Zusammenhänge einmal vor Augen geführt zu haben und so achtsamer mit seinem Körper zu sein.